Sonntag, 11. Oktober 2009

11.10.2009 - Deregulierungswelle, als sei seit 2005 nichts geschehen

Deregulierungswelle, als sei seit 2005 nichts geschehen

Schwarz-Gelber Wahlerfolg ein Pyrrhussieg für das zukünftige christlich-neoliberale Regierungsbündnis? Die Union wirkt überrascht, sodass man sich fragt, ob Schwarz-Gelb wirklich ihr einziges Wahlziel war? Nach dem grandiosen Wahlsieg von Union und Westerwelledemokraten ist es an der Zeit, dass die Interessenkoalition die eigene Klientel belastet. Die Schrödersche Reform-Agenda 2010 schadet der SPD bis heutigentags.

Zwischendurch aus Berlin von Jürgen Deutsch

Ein langer Schatten legt sich hierzulande über die Wirtschaft. Der zu erwartende Arbeitsplatzabbau beschleunigt sich um die Jahreswende, so die Meinung der Analysten.
Und für die nahende christlich-neoliberale Regierungskoalition spitzt sich die soziale Schieflage zu. Mit der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn und der Mehrwertsteuerhebung bei der Deutschen Post AG werden von dem designierten FDP-Vizekanzler und Außenminister, Guido Westerwelle, neue Einnahmequellen – die den Bürger belasten – bereits lautstark angekündigt. Und das schwarz-gelbe Lager scheut sich nicht der notleidenden Wirtschaft, den Landesbanken mit Staatsgeldern und Steuersenkungen unter die Arme zu greifen. Ex: SPD-Finanzminister, Peer Steinbrück, sagt, Landesbanken sind das größte systemische Risiko. Welches von den Kommunen oder dem Bund abgewickelt werden muss. Die Grauzone zwischen öffentlich-rechtlicher Institute und Politik ist riesig. Der politische Einfluss reicht bis in die Parlamente. Abgeordnete der Unions-Bundestagsfraktion sind oder waren gleichzeitig Funktionsträger der Landesbanken. Auch bei den Sozis sind sie eine Macht. Beileibe ist der Staat nicht der bessere Unternehmer, aber die Regierungsverantwortung erlaubt es bei unternehmerischen Fehlentwicklungen kontrollierend, regulierend einzugreifen. So sollte die Deutsche Bahn weiter als hoheitsrechtlicher Staatsbetrieb geführt und nicht Teilprivatisiert werden – wie es die wahlgestärkte FDP lautstark fordert. In Großbritannien ist die Bahnprivatisierung aufs Abstellgleis gefahren, ähnliches droht in Deutschland. Ebenso legitim ist die Mehrwertsteuerbefreiung der Deutschen Post AG – weil nur sie flächendeckend zustellt. Da ansonsten der Bürger – durch die Hintertür – zur Kasse gebeten wird.

Eine erneute Deregulierung a la Westerwelle ist Schnee von Gestern – hat mit dem neoliberalen 1970er US-Gedankengut des Nobelpreisträgers Prof. Milton Friedmann seinen weltweiten, katastrophalen Verlauf genommen. Jetzt gilt es für die zukünftige christlich-neoliberale Regierungskoalition bestehende Arbeitsplätze zu erhalten und dem zu erwartenden Arbeitsplatzabbau zu begegnen. Die Forschungs- und Bildungsexpansion hat in der jetzigen Krisensituation Priorität, damit in der Zukunft intelligente, energiesparende deutsche Produkte, auf dem Weltmarkt, wieder reißenden Absatz finden. Berlin hat in Adlershof den ausbaufähigen Raum für zukunftsträchtige Energie- und Umwelttechnik. Das eventuelle CDU/CSU/FDP-Bündnis sollte wissen, das Land braucht keine schnelle Wachstumsblase, sondern Fördermittel für Mittelstansbetriebe die energieeffiziente Produkte herstellen. Das von der Union angekündigte dritte Gießkannen-Konjunkturprogramm hat mit marktliberalen christdemokratischen Grundsätzen nichts zu tun – wenn der Staat als oberster Retter mit an Bord geht. Sie haben schnell und anpassungsfähig aus der Krise gelernt und drehen erneut den Geldhahn auf. Die Leute durchschauen die versteckte Absicht. Sie wissen, dass sie am Ende die Zeche bezahlen. Union und Westerwelledemokraten plädieren für Steuersenkungen, damit Nutznießer der jüngsten Vergangenheit ihre Gewinne halten können und sie sich abermals nicht an den Staatsaufgaben beteiligen müssen. Eine Sozialisierung der Verluste und die Privatisierung der Gewinne dürfen sich nicht wiederholen. Es sollten auch diejenigen (Reichen-, Börsenumsatz-, Erbschaftssteuer et cetera) dazu beitragen und angemessen besteuert werden die bislang stets profitiert haben und nun sogar die Lasten der Krise nach unten verteilen wollen. In Großbritannien hat die Einführung der Börsenumsatzsteuer dem Börsenplatz London nicht geschadet. So entsteht eine klaffende Gerechtigkeitslücke wenn untere Einkommen sinken und obere steigen.

Soziale Kälte verheißen FDP-Ankündigungen zu „Änderungen im Kündigungsrecht und Beschneidung von Arbeitnehmerrechten“. Mit dem zu erwartenden Arbeitsplatzabbau um die Jahreswende 2010 und der darauffolgenden neoliberalen Deregulierungswelle wird die Wirtschafts- und Finanzkrise voll durchschlagen – beim Bürger einen sozialen Unzufriedenheits-Sunami auslösen.

FAZIT

Es wäre naiv zu glauben, dass der neoliberale Wirtschaftsgedanke (Deregulierung) wegen der globalen Krise für immer vom Tisch sei – irrt gewaltig. Die Binsenweisheit lautet, eine noch so gute Finanzbehörden-Aufsicht kann gegen den politischen Willen der Regierenden (Deregulierung der Märkte) wenig ausrichten. Unglaublich aber wahr, die marktgläubigen Westerwelledemokraten proben die Aufrechterhaltung des ungezügelten neoliberalen Wirtschaftsgedankens. So erscheint das FDP-Programm erstarrt, als sei seit 2005 nichts geschehen. Auch nach einem Weltuntergang würden vermutlich die Liberalen auch noch mehr Netto vom Brutto fordern.

Es sind immer Menschen mit Eigeninteressen die Umverteilung anordnen. Und dass sich viele Entscheidungsträger von egoistischen Motiven leiten lassen, wenn keiner sie kontrolliert. Aus dieser Ungerechtigkeit resultiert die Kluft zwischen arm und reich, obwohl der Wohlstand stetig zugenommen habe, profitieren davon die Mittelschicht und die Bezieher geringer Einkommen kaum. Den großen Happen schnappen sich eine kleine, ohnehin wohlhabende Minderheit weg.

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