Mittwoch, 26. Oktober 2011

TUNESISCHER VOLKSWILLEN - EIN POLITISCHEN ISLAM, KEIN KALIFAT - 26.10.2011

Tunesischer Volkswillen – ein politischen Islam, kein Kalifat
Die moderate islamistische Ennahda-Partei liegt bei den Wahlen in Tunesien mit ca. 45 Prozent und neun von 18 Sitzen vorn – säkulare Parteien haben Mühe sich zusammenzuschließen

Deutsch-Zeit auf den Punkt aus Berlin von Jürgen Deutsch

Im maghrebinischen Tunesien, dem Mutterland des Volksaufstands gingen die Wähler in Scharen am vergangenen 23. Oktober zur ersten freien demokratischen Wahl in der Geschichte des Landes, um eine verfassungsgebende Versammlung zu wählen.
Zu erinnern sei an, Mohammed Bouazizi, dem Märtyrer (Selbstverbrennung) von Sidi Bouzid, der Stadt in der die „Kaktusrevolution“ losbrach. Von hier gingen die Aufstands-Signale über das Land und in die arabische Welt. „Kaktusrevolution“ sagte in Berlin der
tunesische Film- und Theaterregisseur, Autor, Fadhel Jaibi, auf einer Pressekonferenz am vergangenen 01. September im „Haus der Berliner Festspiele“ anlässlich der Deutschlandpremiere seines Bühnenstücks „Amnesia“ – recht hat er, denn „Arabischer Frühling“ und „Jasminrevolte“ klingt zu lieblich, bei allem Sterben. Der „Tunesische Volkswillen“ spontan und ohne politische Führung, eine Eruption von 2010/11 war nirgendwo im Staat eine islamische Revolution. Trotzdem wird der politische Islam im Lande eine Rolle spielen. Es gibt eine Basis für eine konservative Volkspartei (Ennahda), religiöser Prägung im Lande, deren Mitglieder nun aber nicht unter dem Druck der Illegalität – wie zu Ben Alis Zeiten – zusammengepresst werden. Eine solche Aufspaltung im islamischen Spektrum ist im Grunde ein gesunder Prozess, der die Pragmatiker und Reformer von den Fundamentalisten trennen kann. Das die gemäßigte islamistische Ennahda-Partei, mit dem aus dem englischen Exil kommenden Parteivor- sitzenden, Rashid Ghannoshi, bei der Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung als stärkste Fraktion (ca. 45 Prozent) im Parlament hervorgeht, gefolgt von der liberal Fortschrittliche Demokratische Partei (PDP) und dem sozial-demokratischem Forum
démocratique pour le travail et les liberté (FDTL) früher Ettakatol hervorgeht, ist keine Überraschung. Nun kommt es darauf an welche Koalition gebildet wird und ob sich nach der ersten freien demokratischen Wahl in der Geschichte Tunesiens das Militär und die Justiz neutral verhalten oder auf die Ennahda-Partei einschwenken?
Es waren sieben Millionen wahlberechtigte aufgerufen, um 217 Mitglieder einer verfassungs-gebenden Versammlung zu bestimmen. Diese soll einen neuen Übergangspräsidenten für ein Jahr ernennen und ein Grundgesetz erarbeiten. Ennahda macht aber den eher säkular ein- gestellten Frauen der Mittelklasse Angst. Auch wenn die Führungsspitze aus westlichem Exil heimgekehrten Mitgliedern besteht die oft moderater sind als junge Tunesier an der Basis.


Jürgen Deutsch
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