Donnerstag, 3. Juni 2010

03.06.2010 - Berlin - Spandauer Vorstadtleben im 18. Jahrhundert

Berlin – Spandauer Vorstadtleben im 18. Jahrhundert

Straße der Toleranz (bekannt unter Große Hamburger Straße)


Zwischendurch aus Berlin von Jürgen Deutsch

Im 18. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts begegnen sich die Bürger – ver-
schiedener Religionen - in der Spandauer Vorstadt Berlins, mit respektvoller Toleranz.

Wenn Straßen reden, Häuser sprechen, Flüsse plaudern könnten, wäre das Geschrei, Geraune, Gemurmel aus alter Zeit – wer Ohren hat – noch heute zu hören. Die Große Hamburger Straße (auch als „Straße der Toleranz“ bekannt) in der Christen, französische Protestanten (Hugenotten) und Juden einträchtig nebeneinander lebten, sich gegenseitig respektvoll tolerierten, Nachbarschaftshilfe leisteten - gehört zur Spandauer Vorstadt als Friedrich I. (auch bekannt als Soldatenkönig) regierte. Die Spandauer Vorstadt, so genannt,
weil sie vor dem Spandauer Tor, an der alten Landsraße nach Spandau (heutige Oranien-
burger Straße) entstand. 1711 wandten sich die Bewohner an den Magistrat, mit der Bitte, um eine eigene Kirche. Um Unterstützung wurde bei der Königin „Sophie Luise“, nachgesucht.
Die junge Königin stiftete daraufhin 4000 Taler für den Bau der Sophienkirche. Mit dieser vom König Friedrich I. bestätigten Urkunde tritt die Sophiengemeinde ins Leben und 1713
fand der Einweihungsgottesdienst in der Sophienkirche statt. Ursprünglich war nicht einmal Platz für den Kirchhof. Erst eine umfangreiche Schenkung der jüdischen Gemeinde, die etwas von ihrem Friedhof abtrat, brachte 1714 die notwendige Fläche. Die Vertreter der Sophien- kirche versprachen im Gegenzug, allen guten Willen und nachbarliche Freundschaft stets zuzulassen. Unweit, in der ehemals alten Landstraße nach Spandau (in der späteren Oranienburger Straße) wohnte in einem prächtigen Haus Nr. 67, Alexander von Humboldt. Ein halbes Jahrhundert später, 1862 wurde die Synagoge fertiggestellt, ebenso 1875 das Post-
fuhramt.

Mit der Industrialisierung, etwa ab 1820 entstanden die Maschinenbauanstalten von Borsig, Schwartzkopf und Pflug. Nachfolgend wurden in der Gartenstraße die „Wülcknitzschen Familienhäuser gebaut – Berlins erste Mietskasernen, in denen billige Unterkünfte gewinn- bringend angeboten wurden. Industrialisierung und die damit einhergehende Verelendung der Arbeiter ließen den Berliner Norden zum dunklen Milieuviertel der Großstadt werden. Der harte Kern der Stadt Berlin-Cölln, eine mittelalterliche Doppelstadt, mit seiner kurfürstlich gegründeten Dorotheen- und Friedrichstadt, die ein regelmäßiges Straßenraster erhielten, fehlte für die Spandauer Vorstadt ein entsprechender Plan. In der Friedrichstadt hatte das Kürassierregiment Gens d’arms (den heutigen Gendarmenmarkt) 1736-1782 seine Haupt-
Wache und die Pferdeställe. Die französische Friedrichstadtkirche (1705) im Norden und die neue Kirche (1708) im Süden des Platzes, deren 70 m hohe Kuppeltürme – die auf Wunsch Friedrich des Großen (Friedrich II.), von Gontard entworfen – zu Wahrzeichen Berlins wurden, sind heute als französischer bzw. deutscher Dom bekannt.

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